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3) Vernunftbeweise

Wird die Lehre von der völligen Unfähigkeit oder der Erbsünde anerkannt, so folgt logisch die Lehre der unbedingten Erwählung. Wenn sich alle Menschen ihrer Natur nach im einem Zustand von Schuld und Verderbtheit befinden, wie die Schrift sagt, von dem aus sie völlig unfähig sind, sich selbst zu erlösen und auch keinerlei Anspruch erheben können, dass Gott sie daraus erlöst, dann folgt daraus, dass alle, die errettet werden, von Gott dazu vorherbestimmt werden müssen. Seine Liebe gegenüber gefallenen Menschen erweist sich darin, dass er eine unzählbare Schar ausgewählt hat, in der Vorsehung eines Erlösers, der als deren königliches Oberhaupt und Repräsentant ihre Schuld auf sich genommen hat; der die Strafe bezahlt und ihre Errettung errungen hat. Der Beschluss zur Erwählung beruht immer auf der göttlichen Liebe, und die Schrift wird nicht müde, uns zu zeigen, was der wahre Beweggrund dieser Erwählung war: die göttliche Liebe. Die Lehre, dass Menschen ausschließlich aufgrund dieser unverdienten Liebe und Gnade Gottes gerettet werden, findet vollen und redlichen Ausdruck nur in der Lehre des Calvinismus.

Die gnadenvolle Eigenschaft der Errettung kann am besten betrachtet werden anhand der Erwählung Einzelner. Diejenigen, die behaupten, die Erlösung beruhe einzig und allein auf der Gnade Gottes, dabei aber die Lehre von der Gnadenwahl ablehnen, widersprechen sich damit selbst. Die inspirierten Schreiber lassen kein Mittel aus, uns zu zeigen, dass die Gnadenwahl völlig souverän ist und einzig und allein auf Gottes Liebe beruht. Menschen und Engel sollen seine Gnade und rettende Barmherzigkeit sehen. Als Herrscher und Richter ist Gott frei, mit einer sündigen Welt nach seinem Wohlgefallen umzugehen. Er kann völlig gerechterweise einigen vergeben und andere verdammen; er kann seine Gnade zuwenden, wem immer er will und sie auch vorenthalten, wem immer er will. Es liegt nicht am Laufen oder Wollen, sondern an Gott, der Gnade erweist, und der Grund, weshalb es diese Errettung überhaupt gibt und weshalb der eine errettet wird und der andere nicht, kann einzig und allein im Wohlgefallen dessen gefunden werden, der alle Dinge nach dem Ratschluss seines Willens anordnet. Aus diesem Grund allein hat er all jene vor Grundlegung der Welt auserwählt, denen er seine freie Gnade zuwenden will und damit das Erbe ewigen Segens; die Schreiber der Bibel haben peinlich darauf geachtet, jedem einzelnen Gläubigen unter all diesen unzähligen Erlösten die Versicherung zuzusprechen, dass ihre Erlösung vor aller Ewigkeit beschlossene Sache ist und sich jetzt diese hohe Bestimmung erfüllt, die vor Grundlegung der Welt beschlossen worden war.8282     Die Gefahr des Missverständnisses dieser Lehre besteht in der Auffassung, die Erwählung impliziere ein statisches Erlöstsein, (das letztlich auch die Notwendigkeit von Mission überflüssig mache) — ein typisches Missverständnis, das u. a. im amerikanischen Sprachraum unter der Bezeichnung »Once saved, ever saved« bekannt geworden ist. Dass das Beharren der Heiligen aber kein statisches „Dabeisein“ ist, sondern durch den verordneten Kampf des Glaubens jenseits jeglicher Trödlersicherheit steht, hat die Geschichte des Calvinismus hinlänglich bewiesen (Max Weber!). Die Lehre sagt auch nicht, die Erwählten seien sicher, egal was sie tun; sie sagt nicht, dass das Kind Gottes je schon errettet ist und bleibt (»Once saved — ever saved«), sondern dass ein Erwählter den Kampf des Glaubens kämpfen wird, so dass er auf diesem Wege bewahrt bleibt. Dies wiederum impliziert gerade nicht die Möglichkeit des Abfalles — und genau darin besteht das Missverständnis des Arminianismus, der meint, das Heil könne auch wieder verloren werden. Die kritischen Stellen des NT interpretiert er als Hinweis auf diesen Verlust, der Calvinismus sieht diese Stellen teilweise als Mittel, die Kinder Gottes vor diesem Verlust zu bewahren (Spurgeon), teilweise sieht er Menschen angesprochen, die zwar erleuchtet sind, in ihrem Herzen aber doch nicht wiedergeboren sind (z. B. Hebr. 6 + 10; vgl. Wayne Grudem, Systematic Theology). Die Ansicht, der Christ könne wieder verlorengehen, setzt einen Gott voraus, der immer noch das Verdienst des Gläubigen gegen sein Bewahren in Rechnung setzt. In eifrigem Heiligungsstreben hat er vergessen, dass es Gott ist, der heiligt, und dass der Ungehorsam eines seiner Kinder nicht mit dem Ausschluss vom Heil bestraft wird, sondern dass Gott es in Seiner Gnade versteht, das ungehorsame Kind zu züchtigen und zu Seiner Herde zurückzubringen (A. d. Ü.).

Die Lehre der ewigen und unbedingten Erwählung ist manchmal das Herzstück des reformierten Glaubens genannt worden. Sie legt die Bedeutung auf die Souveränität der Gnade Gottes in die Erlösung, während die arminianische Sicht die Bedeutung auf das Werk des Glaubens und des Gehorsams legt, das derjenige erfüllt, der die angebotene Gnade annimmt. Der Calvinismus lässt Gott allein die Wahl treffen, wer des Himmels Erbe ist und mit wem Er die Reichtümer seiner Herrlichkeit teilen will, während der Arminianismus letztlich den Menschen entscheiden lässt — ein Prinzip, dem es im besten Fall an Demut mangelt. Man mag fragen, weshalb denn Gott gerade diesen rettet und den anderen nicht? Aber das gehört zu seinen geheimen Ratschlüssen. Warum gerade der eine bekommt, was dem anderen vorenthalten wird, was beide nicht verdient haben, wird uns nicht gesagt. Dass es Gott gefallen hat, uns zu erwählen, muss für immer Sache anbetender Verehrung jenes Wunders bleiben. Da ist ganz sicher nichts in uns, weder eine Eigenschaft, noch eine Tat, die uns in irgendeiner Weise seine Gunst zuwendete, denn wir waren tot in Übertretungen und Sünden und Kinder des Zorns wie die anderen (Eph 2,1—3). Wir können nur anbeten und bewundern und mit Paulus ausrufen: »O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Ratschlüsse, wie unergründlich seine Wege!« Das Wunder der Wunder ist nicht, dass Gott in seiner unendlichen Liebe und Gerechtigkeit nicht alle Menschen erwählt hat, sondern dass Er einige Verlorene begnadigt hat. Wenn wir auf der einen Seite bedenken, welch abscheuliche Sache die Sünde zusammen mit ihrer entsetzlichen Strafe ist, andererseits die Heiligkeit Gottes bedenken, die diese Sünde hasst, dann ist es ein Wunder, dass Gottes Heiligkeit es überhaupt zugelassen hat, irgendeinen Menschen zu erretten. Dass Gott nicht alle Menschen zur Errettung bestimmt hat, sondern nur einige, kann nicht damit zu tun haben, dass er nicht alle erretten wollte, sondern dies können wir uns einfach nicht erklären; vielleicht verträgt sich die Erwählung aller Menschen mit seiner vollkommenen Gerechtigkeit nicht.

Niemand darf sagen, diese Sicht präsentierte uns Gott als einen Willkürgott, der ohne Gründe handle. Dies zu behaupten geht über jedermanns Wissen weit hinaus. Die Gründe, weshalb er einige errettet und andere übergeht, sind uns nicht offenbart worden. »Nach Seinem Willen tut er mit dem Heere des Himmels und mit den Bewohnern der Erde« (Dan 4,32). Einige werden als Kinder bestimmt »nach dem Wohlgefallen seines Willens« (Eph 1,5) — das bedeutet nicht, dass er keinen Grund für seine Wahl hat. Wenn ein Regiment für seinen Ungehorsam bestraft wird, so ist die Tatsache, dass etwa nur jeder zehnte getötet wird, ebenso nicht ohne Grund; der Grund liegt jedoch nicht in den Menschen. Unzweifelhaft hat Gott die besten Gründe dafür, den einen auszuwählen und den andern zu übergehen, auch wenn er uns die Gründe nicht offengelegt hat.

»May not the Sov‘reign Lord on high Dispense His favors as He will;Choose some to life, while others die, And yet be just and gracious still?Shall man reply against the Lord, And call his Maker‘s ways unjust? The thunder whose dread word Can crush a thousand worlds to dust. But, O my soul, if truths so bright Should dazzle and confound thy sight, Yet still His written will obey, And wait the great decisive day!«8383     »Darf nicht der allmächt’ge Herr der Höhe bezeugen Seine Gunst, wem immer er will; bestimmen die einen zum Leben, die anderen zum Tode, doch ganz gerecht und gnadenvoll? Darf der Mensch hier rebellieren, seines Herren Wege unrecht prädizieren? Der Donner, dessen schrecklich Wort zerschlagen kann zu Staub an tausend Welten. Doch meine Seele, ach, so leuchtend Wahrheit sollt’ blenden und verblüffen dich. ‚Doch immer noch geschieht sein Wille‘ wartet auf den entscheidenden Tag!« (Zitiert aus: Ness, Antidote Against Arminianism).


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