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Warnung vor ungebührlichen Spekulationen

An diesem Punkt muss ich, was die vornehme Lehre der Prädestination betrifft, einige Worte gegen unzulässige Spekulationen und falsche Neugier hersetzen. Am besten zitiere ich dazu Calvin selbst:

»Die Erörterung über die Vorbestimmung ist zwar an sich schon einigermaßen verzwickt; aber der Vorwitz der Menschen macht sie erst recht verwickelt und geradezu gefährlich. Er lässt sich durch keinerlei Riegel davon abbringen, sich auf verbotene Abwege zu verlaufen und über sich hinaus in die Höhe zu dringen; wenn es möglich ist, so lässt er Gott kein Geheimnis übrig, das er nicht durchforscht und durchwühlt. … Zunächst sollen sie sich daran erinnern, dass sie mit ihrem Forschen nach der Vorbestimmung in die heiligen Geheimnisse der göttlichen Weisheit eindringen; wer nun hier ohne Scheu und vermessen einbricht, der erlangt nichts, womit er seinen Vorwitz befriedigen könnte, und er tritt in einen Irrgarten, aus dem er keinen Ausgang finden wird! … Wir werden dann nämlich wissen, dass unser Lauf, sobald wir die Grenzen des Wortes überschreiten, vom Wege abführt und in der Finsternis verläuft und dass wir da notwendig in die Irre gehen, fallen und immer wieder anstoßen müssen! Deshalb wollen wir uns zuerst vor Augen halten: Eine andere Erkenntnis der Vorbestimmung zu erstreben als die, welche uns im Worte Gottes entfaltet wird, das ist ebenso wahnwitzig, wie wenn einer weglos schreiten oder im Finstern sehen wollte. Auch sollen wir uns nicht schämen, in einer solchen Sache etwas nicht zu wissen, in der es eine wohlgelehrte Unwissenheit (docta ignorantia) gibt!«5757     Johannes Calvin, Unterricht in der Christlichen Religion; 3.21.1; Übers.: Otto Weber, S. 61.

Wir sind nicht aufgefordert, diese Wahrheiten zu »erklären«; wir sind nur aufgefordert, das zu lehren, was Gott in seinem Wort sagt und diese Aussagen gegen Missverständnisse und Einwände zu verteidigen. Es liegt in der Natur dieser Sache, dass alles, was wir über diese Wahrheiten wissen können, vom Geist Gottes genau für die Offenbarung zugeschnitten ist, und wir vertrauen darauf, dass alles, was Gott offenbart hat, unzweifelhaft wahr ist und geglaubt werden muss, obgleich wir vieles mit unserem Verstand nicht zu durchdringen vermögen. Wir kennen die inneren Zusammenhänge seines Plans nicht und dürfen es also nicht wagen, Ihm zu raten. »Deine Gerichte sind wie die große Flut«, sagt der Psalmist (Ps 36,6). Genauso gut könnte sich jemand anschicken, den Ozean zu durchschwimmen, als Gottes Beschlüsse auszuloten. Der Mensch weiß viel zu wenig, um sich bei dem Versuch rechtfertigen zu können, die Geheimnisse der Herrschaft Gottes zu ergründen.

Die Wichtigkeit dieses Themas sollte uns mit äußerster Vorsicht und Ehrfurcht leiten, wenn wir fortfahren, darüber zu sprechen. Während Geheimnisse sehr sorgfältig behandelt werden müssen und anmaßende und ungebührliche Spekulationen vermieden werden müssen, aber dennoch das Evangelium in seiner Reinheit und Gänze verkündigen wollen, so müssen wir sorgsam darauf achten, dass wir den Gläubigen nichts davon vorenthalten, was die Schrift über die Vorherbestimmung sagt. Dass einige dieser Wahrheiten von den Ungläubigen verdreht und missbraucht werden, steht zu erwarten. Für den unerleuchteten Verstand spielt es keine Rolle, wie klar die Prädestinationslehre in der Schrift dargelegt ist: er findet diese Lehre absurd. Dass Gott in drei Personen existiert, die gesamte Geschichte im Voraus kennt oder einen ewigen Plan für jede Person hat, gilt ihm als Torheit. Wenn wir über die Prädestination nur das wissen können, was Gott uns zu erklären für gut geachtet hat, ist es auch wichtig, genau so viel zu wissen, denn sonst wäre es nicht offenbart worden. Wohin die Schrift uns führt, dorthin können wir getrost folgen.


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