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Einwand 4: Diese Lehre entkräfte jede Motivation zu persönlichem Einsatz oder Anstrengung

Nicht nur das Ziel, auch der Weg dorthin ist vorherbestimmt! Der Einwand, dass die Lehre von der Prädestination allen eigenen Einsatz unsinnig mache, beruht auf dem Irrtum, dass man glaubt, das vorherbestimmte Ziel werde ohne die Mittel erreicht. Es ist ja nicht so, dass nur das Ziel vorherbestimmt ist, sondern jede Einzelheit, jedes Geschehnis, jede Art und Weise, wie etwas erreicht wird, einfach alle Ereignisketten mit all ihren Zwischenbeziehungen und Verbindungen sind Teil der Vorherbestimmung. Im göttlichen Plan hängen alle Dinge zusammen. Sollten die Mittel ausbleiben, dann auch das Ergebnis. Wenn Gott vorherbestimmt hat, dass der Mensch ernten wird, dann auch, dass er sät. Wenn er vorherbestimmt hat, dass jemand errettet wird, dann auch, dass er das Evangelium hört, dass er glaubt und dass er umkehrt. Der Bauer sagt ja auch nicht: Nun, wenn Gott vorherbestimmt hat, dass ich eine reiche Ernte einfahren soll, dann brauche ich ja nicht zu säen, sondern er weiß: Die reiche Ernte ist gerade darauf zurückzuführen, dass er das Land vorher bebaut. Wir sehen es ja: Der erfolgreichen Ernte geht immer die vorbereitende und vertrauensvolle Arbeit voraus. Wenn wir in den Dienst unseres Herrn treten und dabei sorgfältigen Gebrauch all der Mittel machen, die er dafür vorgesehen hat, dann können wir darauf vertrauen, dass er diese Mittel dazu gebraucht, um Sein Werk zu vollenden.

Gerade jene, die die Schriftstelle, dass Gott »alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens« und ähnliche Beweise für die Vorsehung akzeptieren und dass sich Gottes kontrollierende Macht über alle Bereiche ihres Lebens erstreckt, wissen, dass das nicht im Geringsten ihrer persönlichen Freiheit widerspricht. Werden jene, die widersprechen, ihren Glauben an die göttliche Souveränität ihr persönliches Leben beeinflussen lassen? Würden sie etwa Nahrung und Medizin im Notfall ablehnen, weil doch Gott den Zeitpunkt ihres Todes bestimmt? Würden sie etwa die anerkannten Mittel zur Hebung des Wohlstands deshalb ablehnen, weil Gott Reichtum und Ehre nach Seinem Willen verleiht? Wer Gottes Souveränität in äußerlichen Dingen anerkennt und sich dabei seines freien Willens bewusst ist, dem wäre es Sünde und Torheit, wenn er als Entschuldigung für die Ablehnung geistlichen und ewigen Wohlergehens seine Unfreiheit nebst dem Umstand anführt, dass er ja nicht verantwortlich gemacht werden könne. Sagt ihm sein Gewissen nicht, dass der einzige Grund, weshalb er kein Nachfolger Christi ist, der ist, dass er ihm nicht nachfolgen will? Wenn der Gelähmte auf Jesu Aufforderung: »Steh auf und geh umher!« gesagt hätte: »Ich kann nicht, ich bin gelähmt« — er wäre als Gelähmter gestorben. Da er aber seine eigene Hilflosigkeit erkannt hatte und auf das Wort des Einen hin vertraut hatte, gehorchte er und wurde ganz gesund. Es ist aber der gleiche, allmächtige Erlöser, der den Sünder ruft, der in seinen Sünden tot ist. Er ruft, und wir wissen: Wer kommt, der wird nicht zurückgewiesen werden. Fakt ist: Solange wir nicht glauben, dass Gott der souveräne Lenker aller Geschicke ist, der Gott, der inmitten aller Bestimmtheit der Geschichte die menschliche Freiheit aufgerichtet hat, werden wir wenig Mut zum Handeln finden. Wenn wir glauben, unser Erfolg und unser Schicksal hänge hauptsächlich vom Wohlgefallen schwacher und sündiger Geschöpfe ab, haben wir wahrlich wenig Anreiz, uns Mühe zu geben.

»Auf seinen Knien lässt der Arminianismus die logischen Puzzleteile in seinen Gedanken fallen, die zu seiner verzerrten Sicht der Prädestinationslehre geführt haben und erkennt dankbar, dass seine Bekehrung allein der Gnade Gottes zuzuschreiben ist, ohne die er in Bezug auf seine Neuschöpfung verloren gewesen wäre. Er bittet darum, dass Gott seinen Geist ausgießen möchte, um Menschen zu bändigen, zu überzeugen, zu erneuern und zu heiligen und dass er die Ratschläge der Gottlosen stürzen möge. Er preist Gott dafür, was er in seinem Leben schon getan hat, was vorraussetzt, dass Gott regiert und der souveräne Lenker der Geschicke ist und dass alles Gute und all die Macht, Böses zu verhindern, bei ihm stehen, obgleich doch alles Böse auf die Geschöpfe zurückzuführen ist. Er weiß um das vollkommene Vorherwissen Gottes, das von seiner Weisheit und seinem ewigen Plan nicht zu trennen ist. Seine Gebete um Hoffnung und um Erfüllung seiner Hoffnungen setzen den Glauben voraus, dass Gott seine Füße vorm Straucheln bewahren kann und wird und dass der Himmel ihn nicht abweisen wird. Er setzt damit gerade voraus, dass seine Pläne zwischen der gegenwärtigen Gnade und der ewigen Herrlichkeit eine unfehlbare Verbindung geknüpft haben, so dass ihn niemand von der Liebe Gottes scheiden kann, die in Jesus Christus ist.«192192     Lyman H. Atwater, Calvinism in Doctrine and Life, The Presbyterian Quarterly and Princeton Review, Januar 1875, S. 84.

Da uns die Zukunft verhüllt bleibt, sollten wir allen Fleiß und Ernst an unsere Arbeit wenden, als hätte es einen ewigen Beschluss nie gegeben. Oft ist uns gesagt worden, wir sollten so beten, als ob alles von Gott abhinge und so arbeiten, als ob alles an uns selber läge. Luther bemerkt zu dieser Thematik:

»Gerade deswegen müssen wir das Unsere tun, weil uns alles Zukünftige ungewiss ist, wie der Prediger (II, 6) sagt: ›Frühe säe deinen Samen und lass deine Hand des Abends nicht ab: denn du weißt nicht, ob dies oder das geraten wird.‹ Uns ist es — sage ich —der Erkenntnis nach ungewiss, aber der Ausgang trifft mit Notwendigkeit ein. Diese Notwendigkeit erregt in uns Furcht vor Gott, damit wir nicht übermütig und selbstsicher werden. Aus der Ungewissheit aber entsteht das Vertrauen zu Gott, auf dass wir nicht in Verzweiflung geraten.193193     Martin Luther, Vom Unfreien Willen.

»Der Bauer, der nach dem an Anhören einer Predigt über die göttlichen Dekrete statt des sicheren Weges den Weg von seinem Feld über den Bruchpfad zur Abkürzung nach Hause nimmt und seinen Wagen zu Schrott fährt, wird sich vor seiner Haustür überlegen müssen, ob er nicht zum Idioten prädestiniert ist und mit seiner Handlung diese seine Bestimmung bestätigt hat.194194     Augustus Hopkins Strong, Systematic Theology, S. 371.

Es könnte jemand einwenden: Wenn alle erneuernde Kraft zur Bekehrung und zum Glauben allein von Gott ausgeht, dann ist alles, was wir tun können, warten. Es könnte auch gefragt werden, weshalb man denn überhaupt irgendetwas tun solle, wenn wir nichts zu unserer Erlösung beitragen können? Wenn wir aber ein wenig nachdenken, dann entdecken wir, dass in allem, was der Mensch tut, der Erfolg vielfach von Faktoren abhängt, die er nicht unter Kontrolle hat. Wir wählen einfach die passenden Mittel und vertrauen darauf, dass die Faktoren stimmen. Wir haben das ausdrückliche Versprechen Gottes, dass die, die ihn suchen, ihn auch finden werden, dass die, die bitten, erhört werden sollen und dass denen, die anklopfen, aufgetan werden soll. Das ist mehr als die Disposition der Weltmenschen auf ihrer Suche nach Wohlstand, Wissen oder Status. Und mehr kann auch vernünftigerweise gar nicht verlangt werden. Der Leser des Wortes Gottes wird beim Nachdenken darüber vom Heiligen Geist erneuert werden, vielleicht schon während des Lesens selbst. »Während Petrus noch so redete, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten« (Apg 10,44). Shakespeare lässt einmal einen seiner Figuren sagen:

»Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.«195195     Shakespeare, Julius Caesar, 1.2.

Des Sünders völlige Unfähigkeit, sich selbst zu retten, sollte ihn nicht weniger sorgfältig oder fleißig nach dem Weg seiner Erlösung suchen lassen, den Gott bestimmt hat. Vielleicht hat mancher Leprakranke zur Zeit Jesu gedacht: Da ich mich nicht selber heilen könne, warte ich eben, bis Jesus zu mir kommt (anstatt selbst zu ihm zu gehen). Normalerweise wird jemand, der seine eigene Hilflosigkeit erkennt, ganz anders reagieren: Er wird alle Anstrengung aufwenden, um dort Hilfe zu finden, wo sie zu finden ist. Der Mensch ist ein gefallenes, hilfloses und verderbtes Geschöpf, und solange er das nicht erkennt, lebt er ohne Hoffnung und ohne Gott.


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